Tittmoning. "Sind Jugendliche wirklich politikverdrossen oder ist es nicht viel mehr eine Parteienverdrossenheit, eine These, die von der aktuellen Shell-Jugendstudie unterstützt wird." Sepp Parzinger, Juso-Vorsitzender in Oberbayern und Gemeinderat in Bergen, ging als Gastredner bei der letzten SPD-Ortsvereinsversammlung im Bäckerhaus der Frage nach, warum so wenig junge Menschen politisch aktiv sind. Was müssen Parteien tun, um interessant zu sein, welche sind die wichtigen Themen und wie sieht die Beteiligung junger Menschen in der Politik aus. Parzinger gab auch gleich die Antwort: "Das hat viel mit der Lebensrealität junger Menschen zu tun".
Seit Anfang der 2000-er Jahre nimmt das Politikinteresse junger Menschen wieder zu, mehr als die Hälfte aller Jugendlicher in Deutschland waren mehr oder weniger politisch aktiv, auch wenn es nur die Unterzeichnung einer Petition war, so Parzinger. Ein zentrales Thema bei jungen Menschen zwischen 20 und 30 sei Europa. "Keine Generation vor ihnen war mobiler, profitierte stärker von der Freizügigkeit in Europa." Dieses positive Bild vom "europäischen Geist" werde in Ländern wie Kroatien, Griechenland oder Portugal durch eine hohe Jugendarbeitslosigkeit konterkariert und damit Lebensentwürfe und Perspektiven verbauen.
Wichtig sei für einen politischen Jugendverband in der SPD daher die Bildung. Ausbildung müsse aus Gründen der Gerechtigkeit kostenfrei sein, es fehlten klare Überstundenregelungen für Auszubildende oder Regeln für das duale Studium. Parzinger kritisierte das "Unternehmermodell" der befristeten Stelle, die inzwischen in vielen Firmen der "Normalfall" sei, ebenso die Leiharbeit oder Werkverträge für Berufsanfänger. Die Gefahr sei dabei, daß jungen Leuten so die betriebliche Mitbestimmung verbaut werde. Ebenso würden Familiengründungen verschoben, weil die Zukunft unsicher sei. Die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung sollte daher ein wichtiges Ziel der SPD in der nächsten Bundesregierung sein.
Lebensbestimmend sei für junge Menschen die Digitalisierung. Hier lägen viele Chancen, aber auch Risiken. Positiv sei die Möglichkeit zu sehen, Familie, Beruf und Freizeit zu verbinden. Gleichzeitig nehme die Gefahr der Selbstausbeutung durch "ständige Erreichbarkeit" zu. Oft fehlten jungen Menschen auch kleine, bezahlbare Wohnungen, auf dem Land käme mangelnde Mobilität hinzu.
Sepp Parzinger mahnte eine klare Haltung von Politikern an, um junge Menschen für politische Ideen zu gewinnen. Es müßten Beteiligungsmöglichkeiten eröffnet werden. Sogenannte Jugendparlamente halten zwar in der Kommunalpolitik Einzug, seien aber oft nur eine "Scheinbeteiligung". Da Vereine, Verbände, Gemeinderäte und Parteien Politik vor Ort gestalten, müsse Wert auf Zusammenarbeit gelegt werden. Parzinger stellte fest, daß beispielsweise die Inhalte der kirchlichen Jugendverbände denen der Jusos inhaltlich sehr nahe lägen. Ein Problem des Zugangs von Jugendlichen in politische Parteien sei das längerfristig angelegte Engagement dort. So hätten die Jusos ihre Vorstandsamtszeiten auf ein Jahr verkürzt, die Nutzung von social media sei obligatorisch und projektbezogenes Arbeiten stehe im Vordergrund. Nach wie vor sei aber auch Tradition wichtig: Parzinger verwies auf des nächste Zeltlager, neudeutsch Camp, der oberbayerischen Jusos vom 11. bis 15. August in Thalhausen bei Freising (Infos unter Dieser Verweis auf eine externe Seite öffnet ein neues Fensterwww.jusos-obb.de). Sepp Parzinger plädierte am Schluß seiner Ausführungen dafür, jungen Menschen auch mal etwas zuzutrauen. "Niemand von uns ist in der SPD, um ausschließlich zu lernen, wir sind dabei, weil wir was machen möchten."
Nach einer regen Diskussion zu den Ausführungen Parzingers, in der auch die eine oder andere Anekdote über ehemalige Juso-Generationen zum Besten gegeben wurden, verwies Luise Wittmann auf den Beitrag des Ortsvereins zum diesjährigen Kinderferienprogramm: am 8. September von 9.00 bis 16.00 Uhr findet auf der Burg die "Trashmusikkompanie" einschließlich Abschlußkonzert statt, spontane Helfer und Zuschauer sind, wie auch in den vergangenen Jahren, gerne gesehen.
MdB Dr. Bärbel Kofler am 8. September in Tittmoning
Vorsitzender Dirk Reichenau sprach im Anschluß daran eine Einladung für den Abend des 8. September aus: Bundestagsabgeordnete Dr. Bärbel Kofler, Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, wird um 20.00 Uhr Gast im Bäckerhaus sein. Gewählt wurden als Delegierte des Tittmoninger Ortsvereins zur Stimmkreisaufstellungskonferenz zur nächsten Landtags- und Bezirkstagswahl im Herbst 2018 Susanne Thomas, Florian Buchwald und Dirk Reichenau, Ersatzdelegierte sind Alexandra Jilg, Ali Spirkl und Sebastian Deser.
Unter Sonstiges warf Sebastian Deser die Frage auf, wann denn die "stark beschädigte" Bundesstraße 20 zwischen Seewirt und Nonnreit endlich saniert werde. Dirk Reichenau gab die Antwort von Martin Bambach vom Staatlichen Bauamt Traunstein an die Stadt sinngemäß und verkürzt wieder: Geld zur Sanierung ist derzeit vorhanden, die Grundstücksverhandlungen seien aber noch nicht abgeschlossen.
Ali Spirkl frage nach, wenn denn der Nichtschwimmerbereich am Leitgeringer See ausgebaggert werde. Bereits jetzt können 3-jährige Kinder an der Absperrkette ohne Probleme stehen. Der See verlande zusehends, es bestehe dringend Handlungsbedarf, so der Vorsitzende der örtlichen Wasserwacht. Dirk Reichenau betonte dazu, daß man derartige Arbeiten nicht dem AK Seebad überlassen könne. Die Auftragsvergabe für Baggerarbeiten am See sei Aufgabe der Stadt. Da seine letzte Anfrage dazu vor einem Jahr kein positives Ergebnis zeitigte, wolle er noch einmal nachhaken. Auch zum Thema Ausbau Gaisbergstraße gab es Neues zu berichten. Nach Erscheinen des SPD-Presseberichts zum Ortstermin mit den Anwohnern wurden Beton-Quader aufgestellt, um den Fußgängerbereich vor parkenden Autos zu schützen. Der Antrag der Fraktion zu den Anwohnerwünschen zur Schaffung eines Verkehrsberuhigten Bereiches dort und einer Umkehrung der Einbahnstraßenregelung soll in der nächsten Bauausschuß-Sitzung behandelt werden.