SPD-Liste zur Stadtratswahl aufgestellt

Foto: Oliver Reichenau

07. Januar 2020

Verkehrspolitik, soziale Themen und langfristige Perspektiven im Zentrum

„Stolz auf diese Liste“ zeigte sich Bürgermeisterkandidat Dirk Reichenau am Ende der Aufstellungsversammlung, zu der sich die Tittmoninger SPD und ihre Unterstützer*innen in der Koch- und Backmeisterei versammelt hatten. Alle acht Frauen und zwölf Männer, die sich im März auf der SPD- Liste zur Wahl des neuen Stadtrats stellen, wurden von der Versammlung einstimmig gewählt. Sie sind zwischen 36 und 71 Jahre alt, wobei die Mehrzahl mitten im (Erwerbs-)Leben steht, kommen aus dem Stadtgebiet, aus Kay, Asten und Kirchheim, sind teils SPD-Mitglieder, teils parteilos, und auf vielfältige Weise ehrenamtlich aktiv in den Vereinen der Stadtgemeinde. Ob sie in Tittmoning geboren und aufgewachsen sind oder sich den Ort als Wahlheimat auserkoren haben – alle verbindet das Bewusstsein dafür, dass diese Stadt „etwas ganz Besonderes ist, das es zu schützen und zu erhalten gilt“, wie Thomas Brauner in einem sehr persönlichen Statement erklärte. Dieser Überzeugung schlossen sich viele seiner Nachredner*innen an, ebenso wie der eingangs von Dirk Reichenau betonten Verpflichtung aufs Gemeinwohl.

Der Tittmoninger SPD-Vorsitzende und Dritte Bürgermeister schickte grundsätzliche Anmerkungen voraus: „Wer die Freiräume der kommunalen Selbstverwaltung nicht durch ehrenamtliches Engagement nutzt, kann das Maß an Fremdbestimmung nicht reduzieren.“ Wer hingegen bereit sei, sich einzubringen, ohne den eigenen Vorteil im Blick zu haben, und freiwillig verantwortungsvolle Aufgaben zu übernehmen, brauche neben viel Idealismus auch „Austausch, Anregungen, Anstöße“ und verdiene Unterstützung. Resignation führe zum Auseinanderfallen der Gesellschaft. Allzu häufig diene die Kritik an angeblichen Missständen nur als Ausrede dafür, sich nicht selbst einzusetzen. Gebraucht werde aber der Mut, diese Gesellschaft zu gestalten. In diesem Sinne rief er dazu auf, eine starke Stadtratsliste aufzustellen.

Durchgangsverkehr aus dem Stadtkern verbannen

Bei der ausführlichen Vorstellungsrunde zeichneten sich Schwerpunkte der Kandidat*innen ab. Gabi Schild und Thomas Brauner, einer der Initiatoren der IG Stadtumfahrung, hatte die zunehmend unhaltbare Verkehrssituation im Stadtbereich dazu motiviert, die SPD-Liste zu unterstützen, damit der Durchgangsverkehr nicht weiter unmittelbar an der Wohnbebauung vorbei und durch die beiden engen Tore, an denen er sich nicht selten weit zurückstaut, über den historischen Stadtplatz geleitet wird. Natürlich, so war sich die Versammlung einig, müsse man bei der Umleitung des Verkehrs darauf achten, dass die Situation nicht an anderer Stelle so unerträglich werde, wie sie jetzt oft im Stadtgebiet ist. Reichenau erläuterte dazu, eine Umwidmung von TS16 und St2105 zur neuen B20 werde es sogar leichter machen, Verbesserungen wie einen begleitenden, auch für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge zugelassenen Fahrradweg und Lärmschutzmaßnahmen an dieser Strecke durchzusetzen. Wichtig sei es, den ohnehin langwierigen Prozess endlich durch einen Stadtratsbeschluss einzuleiten. Feuerwehrkommandant Andreas Jäger aus Kirchheim will dabei sicherstellen, dass eine „wirklich vernünftige Lösung“ bei der Ortsumfahrung auch dazu beiträgt, die Zahl der Unfälle auf diesen Strecken zu verringern.

Für mehr Fußgängersicherheit, besonders auf dem Schulweg, ein besseres Konzept für die Parksituation in der Altstadt und einen belebten Stadtplatz mit „weniger Blech“ wollen sich Gertrud und Christian Kutschka, Florian Buchwald, Rolf Seiffert und Luise Wittmann stark machen, die im historischen Stadtzentrum wohnen. „Da hat sich in den letzten Jahren nur marginal etwas verbessert, die bisherigen Beschlüsse wurden bloß teilweise bzw. halbherzig umgesetzt“, kritisierte Kutschka. Susanne Thomas, die sich bereits in ihrer Heimatgemeinde Kirchanschöring politisch engagiert hat, ehe sie nach Tittmoning zog, will sich besonders der Anliegen junger Familien annehmen. Darüber hinaus liegt der gelernten Landschaftsplanerin und Geschäftsführerin des Landespflegeverbands BGL der Ausgleich zwischen Landwirtschaft und Umweltschutz am Herzen. Ökologische Themen bewegen auch den in Kay lebenden Ernst Jilg, der vor seiner Ausbildung zum Altenpfleger Gärtner und im Bund Naturschutz aktiv war, und Landschaftsgärtner Florian Buchwald, der als Vorstand der örtlichen Alpenvereinssektion seine Einsatzbereitschaft bewiesen hat. Der langjährige Leiter der Wasserwacht, Alexander Spirkl, nannte das städtische Seebad als Beispiel für sein Anliegen, den besonderen Charakter Tittmonings zu schützen und zu erhalten: „Das dürfen wir nicht überrenovieren, sondern müssen in vernünftigen Grenzen bleiben – wir wollen da kein Spaßbad draus machen.“

Für eine soziale Stadt

Eine Initiative zum kommunalen Wohnungsbau ist angesichts der Lage auf dem Mietmarkt dringend nötig, waren sich die Kandidat*innen einig. Oberärztin Dr. Gertrud Kutschka betonte, es fehle besonders an bezahlbaren Wohnungen für Singles, junge Menschen und Alleinerziehende. Gabi Schild ergänzte die Forderung nach barrierefreien, kleinen Wohnungen für Senioren, auch als Mehrgenerationen-Modell mit Betreuung. „Das müssen nicht in jedem Fall hoch qualifizierte Altenpfleger sein. Oft genügt es schon, wenn täglich jemand vorbeischaut, ob alles in Ordnung ist“. Für eine bessere Verbindung der Gemeindeteile durch Fahrradwege und Busse will sich Gerda Poschmann-Reichenau einsetzen und auch Möglichkeiten einer besseren Nahversorgung in den Ortsteilen prüfen. So könne man den Individualverkehr reduzieren und damit einen konkreten Beitrag zum Klimaschutz leisten. Franz Sedlmayr aus Laufing (Asten) hat sich wie Erich Triebenbacher aus Kirchheim die Belange der Vereine auf die Fahne geschrieben. Außerdem hat er vor allem die sozialen Probleme im ländlichen Raum im Blick. Soziale Themen standen im Zentrum zahlreicher weiterer Stellungnahmen. Die Bereitschaft, „anderen zu helfen“, wie es Andreas Jäger formulierte, führten viele als Grund für ihre Bewerbung um das „anspruchsvolle Ehrenamt“ Stadtrat an. So auch Adrienne Baumann, die mit ihrem Einsatz bei der Leitung des Helferkreises einen wesentlichen Beitrag zur Integration geflüchteter Menschen in Tittmoning leistet und sich außerdem im Eine-Welt-Laden sowie bei den Seniorennachmittagen ehrenamtlich engagiert. Erzieherin Alexandra Jilg, die in der Bücherei Kay mitwirkt und auch in der dortigen Pfarrei ehrenamtlich mit größeren Kindern arbeitet, ist durch ihre berufliche Erfahrung im Regelkindergarten und als Montessori-Pädagogin qualifiziert für Themen der kommunalen Kinderbetreuung. Mit der christlichen Soziallehre begründeten Diplom-Theologe Erich Triebenbacher aus Kirchheim, die aus Kolumbien stammende Diplomingenieurin Lina Angarita, die in Burghausen arbeitet und in Tittmoning eine neue Heimat gefunden hat, sowie der seit acht Jahren in Ollerding lebende Gerd Kissel, der dreißig Jahre lang ein diakonisches Altenpflegeheim in Stuttgart geleitet hat, ihr politisches Engagement bei der SPD. „Gemeinwohl steht über Eigenwohl“, bekräftigte Triebenbacher, „ökologisch, sozial und nachhaltig“ sollen Kissel zufolge alle Stadtratsentscheidungen sein, und „alle Menschen im Blick behalten, damit Tittmoning lebenswert bleibt“.

Langfristiges Denken und Orientierung am Gemeinwohl

Neben konkreten Vorschlägen für ein besseres Tittmoning wurden auch grundsätzliche Überlegungen zur Ausrichtung des kommunalen Handelns geäußert. Alexander Spirkl mahnte, angesichts der globalen Herausforderungen sei langfristiges Denken erforderlich, das über den Horizont einer Legislaturperiode hinausgehe. Den Plan, gemeinsam mit den Bürger*innen ein Leitbild für die Stadt zu erarbeiten, das solche langfristigen Ziele festschreibt, bezeichnete Gerda Poschmann-Reichenau deshalb als ein wichtiges Vorhaben des SPD-Bürgermeisterkandidaten. Sie freue sich, dass der Pfarrgemeinderat Asten Anfang März zu einer Informationsveranstaltung zum „Gemeinwohl“-Begriff einlade. Nur wenn jeder Einzelne und jede einzelne Kommune „umdenkt und umlenkt“, könnten die existentiellen Probleme unserer Zeit überhaupt gelöst werden. Den Abschluss der angeregten Vorstellungsrunde machte Stadtrat und Kulturreferent Josef Wittmann, der auf dem letzten Listenplatz steht. Er erklärte, dieser Platz sei Programm: Nach neunzehn Jahren als Stadtrat habe er sich seinen Ruhestand ehrlich verdient, sich aber noch einmal zur Kandidatur bereiterklärt, um die nachfolgende Generation mit den Sympathien, die er sich erarbeitet habe, zu unterstützen. Er sei stolz darauf, als Kulturreferent die Burg zu einem auch überregional anerkannten Kulturzentrum entwickelt und den zahlreichen in Tittmoning lebenden Künstler*innen zu Anerkennung verholfen zu haben, wobei ihm immer daran gelegen habe, alle Strömungen zu berücksichtigen. Für die Zukunft wünsche er sich, dass Tittmoning seine Urbanität erhalte und die Kultur in der Stadt auch künftig eine wichtige Rolle spiele. Mit Blick auf die politische Kultur im jetzt eingeläuteten Wahlkampf stellte Erich Triebenbacher abschließend klar: „Ganz wichtig ist es, zuzuhören und gute Ideen anzuerkennen, egal woher sie kommen.“ Dafür erntete er breite Zustimmung – die Kandidat*innen der SPD-Liste wollen konstruktiv und sachlich für ihre Ziele streiten.

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