Offener Brief

Dirk Reichenau
Foto: gpr

09. Februar 2024

Offener Brief Dirk Reichenaus vom 06.02.2024
an die Tittmoninger Stadtratsmitglieder

zu den mündlich vorgetragenen Anschuldigungen des Stadtrats Hans Glück in der Sitzung des Tittmoninger Stadtrates vom 23.01.2024 sowie zur öffentlich vorgetragenen Behauptung der Stadträtin Maria Kellner einer "üblen Beleidigung" auf der Facebook-Seite "Tittmoning dahoam" vom 03.02.2024 in Zusammenhang mit der politischen Auseinandersetzung um die Bewerbung der Stadt Tittmoning für die Landesgartenschau 2026

Sehr geehrte Damen und Herren,

zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen und zügigen Ablaufs der heutigen Stadtratssitzung nehme ich zu dem obigen Sachverhalt folgendermaßen Stellung:

Trio infernal

In der öffentlichen Stadtratssitzung vom 23.01.2024 hat Hans Glück in einem theatralischen Auftritt meinen Rücktritt gefordert, weil ich als Vertreter der Stadt nicht mehr "tragbar" sei; im gleichen Zug wollte Maria Kellner mich bei der Polizei anzeigen, weil ich sie beleidigt hätte.

Der Letzte, der mich im Rathaussaal und in ähnlicher Form einschüchtern wollte, war ein gewisser Dietmar Cremer, weil ich ihm ein Antwortschreiben auf meine Anfrage beim Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband zu den Geschäftsgebaren der komm. Verkehrsüberwachung sinnbildlich um die Ohren gehauen habe; wie die Geschichte ausgegangen ist, wissen die, die schon länger hier im Stadtrat Mitglied sind.

Grund für den geforderten Rücktritt war mein Wortbeitrag in der Weihnachtssitzung des Stadtrates. Ich sagte, das öffentliche Auftreten "dieses Trio Infernal, bestehend aus Barbara Danninger, Maria Kellner und Hans Glück", in Bezug auf unsere Bewerbung zur Landesgartenschau, sei mir unangenehm, vermiese mir die Stadtratsarbeit und sei auf Dauer für mich deprimierend. Ich erhob den Vorwurf, die besagten Stadtratsmitglieder suchten ständig Gründe "dagegen", machten nie Lösungsvorschläge; dies auch im Hinblick auf viele andere Diskussionen und Entscheidungen, die hier im Stadtrat zu treffen seien.

Hans Glück verteilte am 23.01.2024 in der Stadtratssitzung einen entsprechenden Ausdruck aus einer Google-Suchmaschine www.fremdwort.de, die eine höchst unzureichende Definition des Begriffs infernal wiedergab, weil er die zweite Hälfte der Definition einfach weggelassen hat.

Es bleibt anzumerken, daß man sich durchaus gekränkt fühlen darf bei einer Verletzung durch Wort oder Tat, nichts anderes ist eine Beleidigung. Ich empfehle den Herrschaften einen Blick ins Strafgesetzbuch. In unserem Land ist Meinungsfreiheit ein hohes Gut. Es ist durchaus möglich, sich von einer solchen Bezeichnung angegriffen zu fühlen. Eine Beleidigung ist es allerdings nicht. Selbst "höllisch" ist allemal eine Beschreibung, wenn auch keine besonders freundliche. Freundlich wollte ich auch nicht sein.

Ich empfinde das oft gemeinsame Auftreten von Kellner, Danninger & Glück oft als unangenehm und auch gefährlich, was den demokratischen Diskurs in diesem Hause betrifft.

Und daß die Beerdigung der Landesgartenschau für mich ein höchst negatives Ereignis ist, für das Maria Kellner, Barbara Danninger und Hans Glück maßgeblich mitverantwortlich sind, das habe ich ja schon ausgeführt.

Niemand ist hier als Teufel oder Schlimmeres bezeichnet worden. Absichtlich missinterpretieren und sich an unseriösen Quellen zu informieren, zieht allerdings den Fokus von der eigentlich zugrundeliegenden Debatte.

Schon unseren Mittelschülern bringen wir bei, ihre Beweisführungen bei Hausarbeiten nicht im Internet, sondern in Büchern oder wissenschaftlichen Arbeiten zu suchen, weil viele Quellen im Internet höchst unzuverlässig sind.

Ich empfehle ein Buch, es nennt sich Fremdwörterduden:

infernalisch heißt höllisch und/oder unerträglich.

Dieses Adjektiv ist aus dem spätlateinischen infernalis abgeleitet und bedeutet unterirdisch. Das trifft's ja ganz gut.

Die Synonyme in der deutschen Sprache sind entsetzlich, fürchterlich, grässlich, unerträglich und nicht nur die Bedeutungen, die sich aus höllisch ableiten, und die Hans Glück als alleinige Definition hier ausgeteilt hat.

Und hätte der Kollege in seine Google-Suchmaschine zusätzlich Bühne, Theater oder Lustspiel eingegeben, hätte er über 50 Komödien bis hin zum Bauerntheater gefunden, in dem das Trio infernal die Typen auf der Bühne sind, die den anderen Protagonisten die Stimmung versauen.

Der Titel Trio infernal ist fester Bestandteil in Krimikomödien, der Name einer Weinsorte aus Rheinhessen und eine mittlerweile etablierte Gruppenbezeichnung für aufgemotzte Sportwagenmodelle.

Aber ich möchte nochmals auf die Bedeutung näher eingehen:

  • entsetzlich, fürchterlich, grässlich, unerträglich –

Ich empfinde es als unerträglich, wenn Barbara Danninger zu allen und jedem Thema, ob aufgefordert oder nicht, zu jedem Anlass, ob es nun zum Fortschritt einer Diskussion beiträgt oder nicht, spricht. Ich empfinde das als unangenehm.

Ich finde es fürchterlich, wenn es Räte gibt, wie in der letzten Stadtratssitzung geschehen, die dagegen stimmen, daß die Häuslbauer in Kay-Mitte überhaupt mit dem Bauen anfangen dürfen, nur weil eine Abwasserrigole nachjustiert werden muss.

Ich empfinde es als entsetzlich, wenn einem Sportvereinsvorsitzenden und Bürgermeister permanent unterstellt wird, es wäre bei Planung und Umsetzung eines Vereinsheim in der Au nicht mit rechten Dingen zugegangen. Vor allem, wenn sich gewisse Stadträte noch nie beim TSV haben blicken lassen.

Und es ist für mich unerträglich, wenn die besagten Stadträte behaupten, man hätte die Landesgartenschaubewerbung nicht mit allen Mitteln hintertrieben und ausgebremst. Ich finde es gefährlich für die Zukunft unserer Kommune, in den eingemeindeten Gemeindeteilen herumzuerzählen, es wäre für sie jetzt jahrelang kein Geld mehr da, weil jetzt mal intensiv in die Kernstadt investiert werden soll. Da könnt ihr anderen Meinung sein, es geht hier um meine Sicht der Dinge.

Meine Intention (Obacht, wieder so ein Fremdwort) für den Begriff Trio infernal liegt aber ganz woanders: Jean-Paul Sartre, ein außerordentlicher, französischer Dramatiker, hat am Ende des Weltkrieges drei Theaterstücke geschrieben, eins, Titel "geschlossene Gesellschaft", handelt von zwei Frauen und einem Mann, die sich auf Gedeih und Verderb gegenseitig ausgeliefert sind. Von menschlichen Abgründen. Eine Hölle, aus der es kein Entrinnen gibt. Das ist mir eingefallen, als ich den Begriff in der Weihnachtssitzung benutzte. Man fühlt sich nämlich nicht gut, wenn das Bühnenstück aus ist und ich fühle mich oft nicht gut, wenn Stadtratssitzungen vorbei sind. Alkohol ist da auch keine Lösung.

Sartre beschrieb das selbst einmal und ich hoffe, daß die Übersetzung richtig ist: "Wenn meine Beziehungen schlecht sind, begebe ich mich in die totale Abhängigkeit von anderen. Und dann ist das tatsächlich die Hölle. Und es gibt eine Menge Leute auf dieser Welt, die die Hölle sind, weil sie zu sehr vom Urteil anderer abhängen."

Vielleicht denkt ihr mal über diese Sätze nach.

Ich habe also niemanden beleidigt oder wollte ihm die Ehre abschneiden.

Ich habe meine Befindlichkeit dargestellt, die diese Stadtratsarbeit nach Euren Beiträgen und Benehmen oft bei mir und auch vielen anderen Stadtratskolleginnen und -kollegen auslöst.

Macht euch weiterhin öffentlich lächerlich, mir ist das egal. Der Anzeigeversuch bei einer bayerischen Polizeiinspektion wird folgendermaßen enden: hier liegt keine Beleidigung vor, es handelt sich um Umgangssprache.

Ich werde auch nicht, wie gefordert, von diesem Amt zurücktreten, obwohl das Ende des Landesgartenschauprojektes mit all seinen jetzt vertanen Möglichkeiten für unsere Stadt ein guter Anlass dafür wäre.

Man könnte meinen, Tittmoning sei nicht reformierbar.

Aber es ist nun mal so, daß ich mich draußen bei den Vereinen, im Feuerwehrzelt, beim Überreichen von Geburtstagsgrüßen usw., immer wohl fühle, die Menschen immer freundlich zu mir sind, und wenn am Stammtisch nicht blöd dahergeredet wird, dann stimmt was nicht.

Und es ist auch so, daß der große, überwiegende Teil dieses Stadtrates - trotz aller Meinungsvielfalt, verschiedenen Meinungen und Lebenserfahrungen - am Wohlergehen und am Fortschritt dieser Stadt interessiert ist. Die ganz große Mehrheit der Stadträte ist in der Lage, Kompromisse zu finden, auf den Gegenüber zuzugehen, zuzuhören, damit am Schluss gute Politik herauskommen kann.

Bei der stellvertretenden Bürgermeisterin Barbara Danninger, Stadträtin Maria Kellner und Stadtrat Hans Glück kann ich diese Grundhaltung für ein gutes Miteinander schon lange nicht mehr erkennen.

Dirk Reichenau
Ref. f. Altstadt, Burg & Museum
3. Bürgermeister der Stadt Tittmoning

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