„Frauen für Frauen“ – unter diesem Motto trafen sich die Kandidatinnen der SPD-Liste am Sonntag, dem Internationalen Frauentag, im Stadtcafé Schemmerer bei Kaffee und Kuchen zum Meinungsaustausch mit engagierten Frauen aus Tittmoning, die aus verschiedenen Gründen selbst nicht zum Stadtrat kandidieren. Gertrud Kutschka begrüßte Ehrenamtliche, die sich u.a. im TINN, im Team der Bücherei St. Laurentius und im Haus für Kinder für die Allgemeinheit einsetzen und ihre Anliegen für einen künftigen Stadtrat mitgebracht hatten.
Der Umgang mit dem Ehrenamt gehörte ebenso zu den Themen des Nachmittags wie Kinderbetreuung und das Leben und Wohnen im Alter. Man war sich einig, dass es in einer wirklich gleichberechtigten Gesellschaft eigentlich keine spezifischen „Frauenthemen“ mehr geben sollte, dass aber nach wie vor besonders die weibliche Hälfte der Bevölkerung sich um die sogenannte Sorgearbeit daheim kümmere – natürlich unbezahlt. Insofern seien bedarfsgerechte Kinderbetreuung und eine gute Versorgung älterer Menschen nach wie vor unbedingt notwendig, um Frauen, die oft doppelt belastet seien, den Rücken frei zu machen. Die Doppelbelastung sei nämlich mit ein Grund dafür, dass Frauen in der Politik unterrepräsentiert seien.
Gerda Poschmann-Reichenau forderte, der aktuelle Anteil der Frauen im Stadtrat von derzeit 25% müsse endlich ansteigen – „Wir sind die Hälfte der Gesellschaft!“ Die SPD habe seit vielen Jahren die Quotierung für ihre Listen beschlossen und damit erreicht, dass sich immer mehr selbstbewusste Frauen zutrauten, bei den Sozialdemokrat*innen politisch aktiv zu werden. In Tittmoning habe man das 50%-Ziel mit acht von 20 Frauen auf der SPD-Liste immerhin fast erreicht, berichtete sie, „jetzt müssen diese acht starken Frauen aber auch gewählt werden!“ Traurig sei der Frauenanteil auf der CSU-Liste mit nur 15 %, und auch bei den Freien Wähler seien trotz ihres weiblichen Spitzenpersonals nur vier von zwanzig Kandidatinnen Frauen.
Im angeregten Gespräch ging es in der Runde um Perspektiven der Kinderbetreuung in Tittmoning. Auch wenn in vielen alteingesessenen Familien junge Mütter nach wie vor auf Unterstützung durch Oma und andere Verwandte zurückgreifen könnten, müsse man auch für neu Hinzugezogene, die solche Hilfe nicht haben, und für die immer zahlreicher werdenden Alleinerziehenden ein wirklich ausreichendes Angebot vorsehen. Auch die Vor- und Nachteile von Betriebskindergärten wurden abgewogen.
Ausführlich diskutierte man Möglichkeiten der Stadt, Angebote zur Senioren-Tagespflege zu schaffen. Lina Angarita gab zu bedenken, „wenn eine Witwe tagsüber alleine und traurig ist, bekommt man dafür keine Pflegestufe“, die berufstätigen Kinder seien aber überfordert. Antje Huber vom TINN berichtete, ihr Verein sei derzeit gemeinsam mit einem professionellen Anbieter dabei, ein Netz zur häuslichen Seniorenbetreuung aufzubauen. Adrienne Baumann und Christine Triebenbacher verwiesen auf die Seniorennachmittage der Stadt und der evangelischen Gemeinde, doch die Runde war sich einig, dass ein oder zwei Nachmittage im Monat natürlich nicht genügen. „Da stößt das Ehrenamt an seine Grenzen.“
Die Frauen forderten niedrigschwellige Angebote als Treffpunkte für Senioren, die tagsüber Gesellschaft und ein wenig Anregung suchten und es sich nicht leisten könnten, den ganzen Tag im Café zu sitzen. Anerkennend diskutierte man die von Bürgermeisterkandidat Dirk Reichenau in der Podiumsdiskussion kürzlich vorgebrachten Vorschlag, das neue Kinderbetreuungszentrum als weiter gefasstes soziales Zentrum mit Modulen zu konzipieren, die je nach Bedarf auch für andere Zwecke, also etwa für solche Seniorenangebote, genutzt werden können. Auch ein städtisches Projekt für ein Mehrgenerationenhaus im neuen Baugebiet „Am Bahnhof“ könnte hier Vorbildcharakter haben.
Anneliese Hawlik warnte vor einer Bevormundung älterer Menschen. Städtische Angebote seien wichtig, um familiäre Hilfe zu ergänzen, nicht aber zu ersetzen. Adrienne Baumann bestätigte: „Viele Seniorinnen und Senioren organisieren sich entweder wunderbar selbst ihre Treffen und Unternehmungen oder wollen gar nicht mehr Begegnung mit anderen.“ Wer aber Gesellschaft suche und nicht auf bestehende private Netzwerke zurückgreifen könne, der müsse Hilfe finden, so Hawlik. Die neue Bürgerhilfsstelle im Rathaus sei ein richtiger Ansatz, um vorhandene Initiativen zu bündeln, zu vernetzen und bekannt zu machen.
Luise Wittmann gab zu bedenken: „Viel zu viele soziale Belange, die eigentlich kommunale Aufgabe sind, werden bei uns aufs Ehrenamt abgeschoben. Das fangen wieder die Frauen auf – und haben dann keine Zeit und Energie mehr, sich politisch zu engagieren.“ Das konnten die anwesenden Ehrenamtlichen bestätigen, und auch, dass man sich allzu oft von der Stadt als Bittsteller behandelt fühle. Das sei in anderen Gemeinden anders, wo gemeinnützigen Vereinen selbstverständlich Supervision angeboten werde und wo der Bürgermeister auch mal nachfrage: „Was braucht Ihr, um weiter arbeiten zu können?“
Die anwesenden Stadtratskandidatinnen fühlten sich in vielen der Forderungen aus ihrem Programm bestätigt und versprachen, die Themen über die künftige SPD-Fraktion in den Stadtrat zu tragen. Zum Schluss erhielt jede der Damen eine rote Nelke und man nahm sich vor, ein solches Treffen zu wiederholen – spätestens im nächsten Jahr zum Frauentag.