Dreikönigstreffen der SPD in Kirchanschöring Forum für politische Diskussion - SPD-Parlamentarier stehen Rede und Antwort

Dreikönigstreffen der SPD in Kirchanschöring Forum für politische Diskussion - SPD-Parlamentarier stehen Rede und Antwort

06. Januar 2015

Kirchanschöring. Im Kontrast zur allgemein diagnostizierten Politikverdrossenheit steht das traditionelle Dreikönigstreffen der SPD in Kirchanschöring, denn es sorgt noch immer regelmäßig für lebhafte politische Diskussionen. So klopften auch heuer wieder einige Bürger, die sich Gedanken zu brisanten politischen Themen gemachten haben, an die Tür der anwesenden politischen Machthaber um ihre Überzeugungen und Beobachtungen darzulegen.

Kirchanschörings Bürgermeister Hans-Jörg Birner eröffnete die Runde. Zunächst erinnerte er daran, dass Kirchanschöring schon vor Jahren zur gentechnikfreien Gemeinde erklärt worden ist und als eine der ersten Kommunen in der Region eine Resolution über die Inhalte von TTIP (Transatlantisches Freihandelsabkommen) und CETA (das Comprehensive Economic and Trade Agreement, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada) verabschiedet hat. In einem gut funktionierenden Rechtssystem eines hochentwickelten Staates brauche man keine internationalen Schiedsgerichte. Birner bedauerte, dass der Oppositionsantrag mit der Aufforderung an die Bundesregierung, sich im Europäischen Rat für die Ablehnung von außergerichtlichen Schiedsverfahren einzusetzen, keine Mehrheit gefunden habe. Bürgermeister Birner bat daher um Auskunft, wie die heimischen Abgeordneten der SPD dazu stehen, zumal Sigmar Gabriel das TTIP für enorm wichtig halte.

Der diesjährige Gastredner des Dreikönigstreffens im Salitersaal, der Bundestagsabgeordnete Ewald Schurer, pflichtete Birner bei: TTIP sei ein bedeutendes Thema. Eine Abstimmung über TTIP stünde aber erst an, wenn der Bundestag über die vollständigen und abschließend ausgehandelten Verträge debattiere, ergänzte seine Bundestagskollegin Bärbel Kofler.

Bezüglich der Schiedsgerichtsverfahren in den Verträgen zu TTIP stellte Schurer klar: "Auch darüber ist im Bundestag noch nicht abgestimmt worden. Wir als SPD haben aber im Herbst 2014 auf einem Parteikonvent klare rote Linien für Verhandlungen zu Handelsabkommen gezogen. Dazu gehört unter anderem, dass an in Deutschland geltenden Standards der Arbeitnehmerrechte, Verbraucherschutz- und Umweltrechte sowie dem Urheberrecht nicht gerüttelt werden darf. Nur wenn ein Verhandlungsergebnis vorliegt, das diesen Anforderungen entspricht, werden wir zustimmen. Die CDU hingegen hat sich auf ihrem letzten Parteitag vor einigen Wochen ohne Einschränkungen für TTIP ausgesprochen." Kofler ergänzte: "Es heißt explizit in unserem Parteikonventsbeschluss, dass in jedem Fall Investor-Staat-Schiedsverfahren abzulehnen sind." Schurer fügte hinzu, seine Partei vertrete klar die Ansicht, dass es parallel zur staatlichen Gerichtsbarkeit keine zweite Judikative geben dürfe. Warum sollten demokratische Staaten sich Richtern außerhalb ihres Justizsystems unterwerfen?

Hermann Schätz monierte: "Es muss doch jedem Politiker klar gewesen sein, dass der eisfreie Hafen am Schwarzen Meer für Russland von großer strategischer Bedeutung ist." Weder der damals zuständige Chef der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, noch Bundeskanzlerin Angela Merkel hätten einen besonderen Instinkt bewiesen, als über die Aufnahme der Ukraine in die Europäische Union beziehungsweise in die Nato diskutiert wurde. Ansonsten hätten die beiden sicherlich frühzeitig Gespräche mit Russland geführt, um einem Konflikt vorzubeugen, der entstehe, wenn die Grenze der Nato bis an das Schwarze Meer heranrückt. "Warum hat man keine Vereinbarung getroffen?", fragte Schätz. Man stehe nun vor einem Scherbenhaufen, den Außenminister Frank Walter Steinmeier wegräumen müsse.

Schurer verwies auf den geschichtlichen Hintergrund der Ukraine, die im Jahr 1991 nach dem Untergang der Sowjetunion unabhängig wurde. Viele Ukrainer und Russen sahen in diesem Untergang einen großen Verlust. Dies habe gewissermaßen zu einem Phantomschmerz geführt, den sich Putin zum Werkzeug gemacht habe, mit dem er nun auf der Welle der Popularität schwimme. In der Ukraine hätten also schon lange schwierige Verhältnisse geherrscht, die man hierzulande einfach zu wenig wahrgenommen habe. Steinmeier suche den Dialog und bemühe sich intensiv um eine friedliche Beilegung des Konfliktes in der Ostukraine. Hierzulande wisse man ebenso wie im Osten, dass man für den Frieden den Ausgleich auch mit Russland und mit Putin brauche.

Die Bundestagsabgeordnete Bärbel Kofler machte ebenfalls deutlich, wie komplex und vielschichtig die Situation in der Ukraine ist. Sie ließ keinen Zweifel daran, dass Russland auf der Krim Verursacher der Krise war. Ihrer Ansicht nach wurden in den vergangenen Jahren aber auch von Seiten der Nato und der Europäischen Union Fehler gemacht. So hätten beispielsweise in den langjährigen Verhandlungen zum Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine russische Bedenken eher einbezogen werden müssen. "Wir werden versuchen, die Leute an den Verhandlungstisch zu bringen um zwischen den Konfliktparteien einen Ausgleich herzustellen", so Kofler.

In einer weiteren Wortmeldung sprach Waltraut Blach die kritische Haltung von Ministerpräsident Seehofer bezüglich des Baus neuer Höchstspannungsleitungen an: Einem Zeitungsbericht zufolge hätte im kommenden Monat die Entscheidung über den Trassenbau fallen sollen, bei der die Meinung der Bürger mitberücksichtigt werden sollte. "Nur spüren die Bürger davon nichts." Wenn die geplanten Trassen von Nord nach Süd nicht gebaut würden, könnte dies den bayerischen Stromkunden teuer zu stehen kommen, befürchtet Frau Blach. Daher wollte sie wissen, welchen Standpunkt die anwesenden Bundestagsabgeordneten in dieser Sache vertreten.

Ewald Schurer bestätigte, dass der aus Ingolstadt stammende Ministerpräsident Horst Seehofer auf der offiziellen Homepage der CSU die Bürger dazu aufruft, ihre Meinung zur Energiewende zu sagen. Zwischenzeitlich sei durchgesickert, die Firma Audi plane eine eigene Energieversorgung. Audi sei ein Unternehmen, das sehr viel Strom benötige. Zur Sicherung der Stromversorgung im Süden und der dortigen Industriestandorte müsse Seehofer nun endlich eine Entscheidung treffen, forderte Schurer am Ende der hitzig geführten Diskussion.

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