Kommunale und bundespolitische Themen bei der SPD-Versammlung
Zur Jahreshauptversammlung des SPD-Ortsvereins Tittmoning konnte der Vorsitzende Dirk Reichenau am vergangenen Samstag nicht nur die Laufener Stadträtin und SPD-Landtagskandidatin für den Stimmkreis Berchtesgadener Land Susanne Aigner begrüßen, sondern mit Gerd Kissel auch ein neues Parteimitglied. Ausführliche Berichte über kommunale Themen und lebhafte Diskussionen über die Zukunft der Bundespartei prägten die bestens besuchte Veranstaltung.
Der Vorsitzende gab einen Überblick über die kommunalpolitischen Themen, mit denen er als Stadtrat und dritter Bürgermeister ebenso wie sein Fraktionskollege und Kulturreferent Josef Wittmann seit der Vorstandswahl im August 2016 "stark eingespannt" gewesen sei. Das Arbeitsklima im Stadtrat nannte er zufriedenstellend. Über die Gestaltung des Tittmoninger Stadtplatzes mache man sich gemeinsam mit den anderen Fraktionen in einem dazu eingerichteten Lenkungsausschuss viele Gedanken. Die Arbeit sei auf dem richtigen Weg, auch wenn sie oft zäh vorangehe, weil man um Kompromisse ringe, um möglichst alle Beteiligten einzubinden. "Insgesamt geht alles etwa in die Richtung, die wir 2011 in unserem Antrag vorgeschlagen haben", äußerte sich Reichenau zufrieden. Dass die geplante Freistellung und Möblierung von Flächen rund um die Denkmäler noch nicht wie geplant zum Josefimarkt habe eingeführt werden können, liege am späten Frost, dieser Schritt werde aber jetzt bald erfolgen. Der Altstadtreferent betonte, zur weiteren Aufwertung des Stadtplatzes werde man konsequent die Themen Parkzeitverkürzung, Umgehungsstraße und Tempo 30-Zone angehen. "Wohnen am Stadtplatz soll wieder attraktiv werden, der Durchgangsverkehr muss raus aus der Stadt!"
Brückner-Umzug als städteplanerische Chance
Ein weiteres wichtiges Thema und ein großer Brocken in der Stadtratsarbeit sei der Umzug der Firma Brückner nach Abtenham gewesen. "Brückner ist eine der wichtigsten Firmen in Tittmoning", betonte der Vorsitzende mit Blick auf die Gewerbesteuereinnahmen: "Die berechtigten Ansprüche unserer Bürger, was die Stadt alles zu leisten hat, müssen auch irgendwie finanziert werden." Sein Kollege Josef Wittmann ergänzte, durch die Vergrößerung und Modernisierung der Textilmaschinen-Firma seien bereits jetzt achtzig neue Arbeitsplätze in Tittmoning geschaffen worden. Für Ende Mai plant der Ortsverein eine Besichtigung der Firma am neuen Standort.
Die städteplanerische Chance, die sich durch das Freiwerden des alten Firmengeländes ergebe, wollen die SPD-Stadträte möglichst gut nutzen, um dringend benötigten Wohnraum zu schaffen. "Nach den Eigenheim-Siedlungen im Hüttenthaler Feld und im Pillerfeld muss es jetzt um kleinere Einheiten und um bezahlbare Mietwohnungen gehen", stellte Reichenau fest. Der geplante städteplanerische Wettbewerb werde nach Abschluss des Verkehrsgutachtens im April ausgelobt, die Auswertung durch das Kuratorium, dem er selbst angehöre, bis Herbst abgeschlossen. "Da wird dann sicher eine sehr gute Lösung dabei sein", war Reichenau zuversichtlich. Auf Nachfrage von Susanne Thomas erklärte Josef Wittmann, die Frage möglicher Altlasten auf dem Firmengelände etwa durch Lacke im Boden sei im Vertrag klar geregelt. Er gehe auch nicht davon aus, dass es hier Probleme gebe, da Probebohrungen bei einer früheren Untersuchung keinerlei Hinweise auf solche Schäden ergeben hätten.
Enttäuschung über Preisgabe des Khuenburg-Saales
In seinem kommunalpolitischen Rückblick thematisierte der Vorsitzende außerdem u.a. die Auseinandersetzung mit den Freien Wählern um die Tittmoninger Burg, die Vorarbeiten zur Sanierung des Burgschwaiger-Grabes, die Erstellung des Feuerwehr-Bedarfsplans für alle fünf Freiwilligen Feuerwehren der Stadtgemeinde ("hier gibt es eine gute Zusammenarbeit!"), die Bemühungen der SPD-Fraktion um Bürgerdialog beim Ausbau der Gaisbergstraße und ihren erfolgreichen Widerstand gegen die geplante Straßenausbau-Beitragssatzung. Zum Disput um den Ausbau des Kindergartens im Haus des Gastes stellte Reichenau klar, die SPD habe sich selbstverständlich nicht gegen eine Erweiterung der Räumlichkeiten zur Kinderbetreuung gewehrt, sondern im Gegenteil einen der gestiegenen und künftig wohl noch steigenden Nachfrage angemessenen Neubau im neu zu gestaltenden Wohngebiet "Am Bahnhof" gefordert. "Hier hätte man mit moderner, kindgerechter Architektur einen echten Kindergarten mit Gesamtkonzept gestalten können, anstatt weiter einzelne Räume in ein altes Klostergebäude einzupassen, das von Beginn an eigentlich eine Notlösung war." Kulturreferent Josef Wittmann empörte sich in einem engagierten Redebeitrag "zutiefst enttäuscht" darüber, dass mit dem Khuenburgsaal ohne Not ein idealer Ort für städtische Kulturveranstaltungen geopfert worden sei, der jetzt schmerzhaft fehle. Das Haus des Gastes sei 1986/87 der Kultur gewidmet worden, für einen Konzert- und Vortragssaal in dieser Größe mit Konzertflügel fehle in Tittmoning nun jeder Ersatz. "Die eingemeindeten Dörfer werden von der Stadtgemeinde in ihrer Vereins- und Kulturarbeit gefördert, aber der Stadt Tittmoning nimmt man ein wichtiges Element ihrer Urbanität", beklagte er bitter.
Seebad bald ohne Wasserwacht?
Für angeregte Diskussion sorgte noch das Thema Seebad, denn der Vorsitzende der Tittmoninger Wasserwacht Alexander Spirkl warnte, sein Verband werde sich voraussichtlich aus seinen Diensten dort zurückziehen müssen. Trotz aller Bemühungen sei es nicht gelungen, Nachwuchs und Neumitglieder zu rekrutieren. Für die wenigen noch verbleibenden aktiven Mitglieder wiege außerdem die Verantwortung zu schwer, seit die Beweislast im Schadensfall durch eine Gesetzesänderung umgekehrt worden sei. "Ein ehrenamtlicher Retter muss jetzt nachweisen, dass er alles richtig gemacht hat!" Es sei schön und gut, wenn man das Seebad durch Sanierung attraktiver mache. Wie man auch die Sicherheit der zahlreichen Badegäste garantieren wolle, sei aber ungeklärt, so Spirkl. Reichenau notierte sich dieses Problem und nannte als weitere Aufgaben für die Zukunft, an denen der Stadtrat bereits arbeite, ein Vereinsheim für Törring und die Gestaltung eines Bike-Parks.
Nach dem Rechenschaftsbericht des Vorsitzenden folgte der des Schatzmeisters Alexander Spirkl sowie der Bericht der Revisoren Hans Thalhauser und Alexandra Jilg, dann wurde der Vorstand einstimmig entlastet. Die Versammlung wählte als Delegierte bei der Aufstellungskonferenz zur Europawahl Susanne Thomas, Florian Buchwald und Dirk Reichenau.
Der Abend klang schließlich mit einer angeregten Diskussion über die neuerliche Beteiligung der Bundes-SPD an einer Regierungskoalition mit CDU und CSU aus. Einig waren sich alle Anwesenden darüber, dass man bei der notwendigen inhaltlichen Erneuerung der SPD vor allem die fundamentalen Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft im Blick haben, thematisieren und bekämpfen müsse. Hier meldete sich schließlich auch das Neumitglied Gerd Kissel zu Wort: Er habe die parteiinterne Diskussion um die GroKo zum Anlass genommen, vom Sympathisanten zum Mitglied zu werden und somit Verantwortung zu übernehmen, um die Zukunft der SPD und unserer Gesellschaft mitgestalten zu können.